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Weitere Begriffe und Ergebnisse aus der Theorie der Folgen:

Hier finden Sie einige kurze Anmerkungen zu den Themen
Häufungspunkt (Häufungswert)

Eine Folge besitzt höchstens einen Grenzwert. Es gibt aber Folgen, die ein viel "sprunghafteres" Verhalten aufweisen als die bisher besprochenen Beispiele. So können die Glieder einer Folge abwechselnd mehreren Punkten beliebig nahe kommen. Ein Beispiel dafür ist die Folge

${1\over 2},-{1\over 2},{2\over 3},-{2\over 3},{3\over 4},-{3\over 4},{4\over 5},-{4\over 5},{5\over 6},-{5\over 6},{6\over 7},-{6\over 7},{7\over 8},-{7\over 8},\dots$

Betrachten wir nur die ungeraden Glieder (das erste, das dritte, das fünfte,...), so erhalten wir die Folge der Quotienten aufeinanderfolgender natürlicher Zahlen, von der wir bereits wissen, dass sie gegen $1$ konvergiert. Dazwischen wiederholt sich jedes Glied, aber mit umgekehrtem Vorzeichen: Die aus den geraden Gliedern (dem zweiten, vierten, sechsten, ) bestehende Teilfolge konvergiert daher gegen $-1$. Insgesamt kommen die Glieder dieser Folge den beiden Zahlen $1$ und $-1$ beliebig nahe, bleiben aber nicht natürlich in der Nähe einer der beiden, sondern springen sogleich wieder in die Nähe der anderen. Daher ist diese Folge divergent $-$ sie besitzt keinen Grenzwert. Ihr Punktgraph im Bereich $1\leq n\leq 13$ sieht so aus:


Um auch derartige Situationen mathematisch zu analysieren, wird definiert: Eine reelle Zahl $x$ heißt Häufungspunkt (Häufungswert) der reellen Zahlenfolge $\langle a_n\rangle$, wenn es für jedes $\epsilon>0$ unendlich viele Folgenglieder $a_n$ gibt, für die

$|a_n - x| < \epsilon$

gilt. (Auch in diesem Fall kann die Sprechweise "unendlich viele Folgenglieder" umschrieben werden, ohne das Wort "unendlich" zu verwenden: Für jedes $m\in\,\mathbb{N}$ gibt es ein $n>m$, so dass $|a_n - x| < \epsilon$). Erkennen Sie den Unterschied zum Begriff des Grenzwerts?
Die oben abgeschriebene und geplottete Folge besitzt zwei Häufungspunkte, nämlich $1$ und $-1$.


Satz von Bolzano-Weierstraß

Eine für die moderne Mathematik wichtige Erkenntnis ist der Satz von Bolzano-Weierstraß, benannt nach Bernard Bolzano (1781 – 1848) und Karl Weierstraß (1815 – 1897). Er besagt: Jede beschränkte reelle Zahlenfolge enthält (mindestens) eine konvergente Teilfolge.
Zwei eng verwandte Varianten dieses Satzes lauten: Limes superior (lim sup) und Limes inferior (lim inf)

Das Verhalten von Folgen, selbst wenn sie keinen Grenzwert besitzen, lässt sich durch die beiden Begriffe Limes superior (lim sup) und Limes inferior (lim inf) eingrenzen: Für eine konvergente Folge stimmen der Limes superior und der Limes inferior mit dem Grenzwert (Limes) überein.


Folgen mit beliebigen mathematischen Objekten

Wir betrachten in diesem Kapitel nur relle Zahlenfolgen, erwähnen aber, dass Folgen mit beliebigen mathematischen Objekten gebildet werden können. Von besonderer Wichtigkeit für die moderne Mathematik sind Folgen von komplexen Zahlen (die im gleichnamigen Kapitel besprochen werden). Viele der hier besprochenen Begriffe und Ergebnisse gelten in leicht adaptierter Form für sie ebenfalls.


Cauchy-Folge

Eine Cauchy-Folge reeller Zahlen, benannt nach Augustin Louis Cauchy (1789 – 1857), ist eine reelle Zahlenfolge $\langle a_n\rangle$, deren Glieder einander im folgenden Sinn beliebig nahe kommen: Für jedes $\epsilon>0$ gibt es ein $m\in\mathbb{N}$ mit der Eigenschaft

$|a_{n}-a_{n'}|<\epsilon$   für alle $n,n'\geq m$.

Nun kann bewiesen werden, dass jede Cauchy-Folge reeller Zahlen konvergent ist (obwohl in ihrer Definition vom einem Grenzwert nicht die Rede ist). Im Rahmen der reellen Zahlen liefert dieser Begriff also nicht Neues. Es kann aber übertragen werden auf andere Mengen, die gewissermaßen "Lücken" zwischen ihren Elementen haben (wie z.B. die Menge der rationalen Zahlen $-$ sie wurden im Kapitel Zahlen besprochen, siehe auch den nächsten Punkt $-$, aber auch abstraktere Mengen von mathematischen Objekten wie Mengen von Funktionen) und spielt dort eine wichtige Rolle, weil er hilft, sie zu "vervollständigen".


Vollständigkeit der reellen Zahlen

Dass jede Cauchy-Folge reeller Zahlen konvergent ist (wie oben erwähnt), zeichnet die Menge der reellen Zahlen als vollständig aus. Die rationalen Zahlen besitzen diese Eigenschaft nicht: So kann beispielsweise eine Folge von rationalen Zahlen angegeben werden, die gegen $\sqrt{2}$ konvergiert: Nehmen wir die Dezimaldarstellung $\sqrt{2}=1.414213562373\dots$ und definieren

$a_0=1$
$a_1=1.4$
$a_2=1.41$
$a_3=1.414$
$a_4=1.4142$
usw.
(fortgesetzt entsprechend der Dezimaldarstellung von $\sqrt{2}$).

Diese Folge rationaler Zahlen konvergiert gegen $\sqrt{2}$, also gegen eine irrationale Zahl. Wird nun nur die Menge $\mathbb{Q}$ der rationalen Zahlen betrachtet, so können wir feststellen: Diese Eigenschaft zeichnet die Menge der rationalen Zahlen als nicht-vollständig aus. Bildlich gesprochen sind es die "Lücken" zwischen ihren Elementen (also die irrationalen Zahlen), die dafür verantwortlich sind. Die Menge der reellen Zahlen hingegen ist vollständig, da in ihr jede Cauchy-Folge konvergiert.

Dieser Sachverhalt kann dazu benutzt werden, die Menge der reellen Zahlen als "Vervollständigung" der Menge $\mathbb{Q}$ zu konstruieren. Selbst wenn man bis zu diesem Punkt von den reellen Zahlen nichts weiß, können dadurch gewissermaßen die "Lücken" in der Menge $\mathbb{Q}$ als neue Art von Zahlen identifiziert werden.