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Exkurs: Gleichungen - ein erster Überblick

Eine Gleichung ist eine Behauptung. Allerdings nicht irgendeine Behauptung, sondern die Behauptung, daß zwei Dinge gleich sind. Die zwei ''Dinge'' enthalten ein oder mehrere Symbole (Buchstaben), die für Zahlen stehen, auf die man sich vorerst nicht festlegen will.

Sehen wir uns ein Beispiel an: Ein typischer Fall einer einfachen Gleichung ist die Behauptung

x + 2 = 5.
(1)
Dabei soll x für eine reelle Zahl stehen. Für welche? Die Antwort mag verblüffend erscheinen: Wir erlauben zunächst dem Symbol x, für jede beliebige reelle Zahl zu stehen! Probieren wir einige aus: Fangen wir mit x = 1 an. Ist x die Zahl 1, so wird (1) zur Behauptung
3 = 5,
(2)
und das ist natürlich eine falsche Aussage. Versuchen wir es mit x = 2, so erhalten wir
4 = 5,
(3)
also wieder eine falsche Aussage. So gesehen, ist eine Gleichung einfach eine Behauptung, die das Symbol x enthält, und die fast immer, wenn anstelle von x eine konkrete Zahl eingesetzt wird, eine falsche Aussage darstellt. Allerdings nur fast immer! Denn es kann passieren, daß die Behauptung für die eine oder andere Wahl von x auch eine wahre Aussage darstellt!


Für welches x stellt unser einfaches Beispiel (1) eine wahre Aussage dar? Zu welcher Zahl muß man 2 addieren, um 5 zu erhalten? Die Antwort ist in diesem Fall ganz klar: es ist die Zahl 3. Mit x = 3 wird die Gleichung zu

5 = 5,
(4)
also zu einer wahren Aussage. Die Zahl 3 heißt eine Lösung der Gleichung (1). (Man sagt auch, die Zahl 3 ''erfüllt die Gleichung''). Tatsächtlich ist es die einzige Zahl mit dieser Eigenschaft: Die Gleichung x + 2 = 5 besitzt also genau eine Lösung, nämlich die Zahl 3. (Man sagt oder schreibt auch einfach: ''Die Lösung der Gleichung ist x = 3''). Das Symbol x heißt ''Variable'' (da es zunächst für jede Zahl stehen kann, also ''variabel'' ist) oder ''Unbekannte'' (da jene Werte, die die Gleichung zu einer wahren Aussage machen, zunächst nicht bekannt sind).


Betrachten wir ein anderes Beispiel, die Gleichung

u2 = 4.
(5)
Nun heißt die Variable u, und wieder kann anstelle von u jede reelle Zahl eingesetzt werden. Und wie im ersten Beispiel ist die Behauptung, die sich dann ergibt, für die meisten Zahlen eine falsche Aussage. Für welche Werte von u ist sie wahr? Oder, anders ausgedrückt: welche Zahlen u erfüllen die Gleichung? Zunächst die Zahl 2, denn das Quadrat von 2 ist 4. Für u = 2 wird die Behauptung (5) zur wahren Aussage 4 = 4. Allerdings gibt es noch eine andere reelle Zahl, deren Quadrat 4 ist, nämlich -2. Daneben gibt es keine solche Zahl mehr. Die Gleichung (5) besitzt daher zwei Lösungen, nämlich -2 und 2. Die Menge aller Lösungen heißt Lösungsmenge und wird üblicherweise mit dem Buchstaben L bezeichnet. Die Lösungsmenge der Gleichung (5) ist L = { -2, 2 }. Für das Beispiel (5) besteht sie aus zwei Elementen. Will man die Mengenschreibweise vermeiden, so kann man sagen: ''Die Lösungen der Gleichung sind u = -2 und u = 2''. Eine einheitliche Schreibweise dafür ist u = ±2.


Es kann durchaus auch vorkommen, daß eine Gleichung gar keine Lösung hat. So ist etwa die Behauptung

s2 = - 1
(6)
für alle reellen Zahlen s falsch (denn das Quadrat einer reellen Zahl kann nicht negativ sein). In diesem Fall ist die Lösungsmenge leer, d.h. L = { }. Ein anderes Beispiel für eine Gleichung ohne Lösung ist
y + 1 = y.
(7)
Zu welcher Zahl kann man 1 addieren, ohne daß sie sich ändert? Zu keiner! Wieder ist L = { }.


Manchmal soll das Symbol, die Unbekannte oder Variable, nicht für eine beliebige reelle Zahl stehen, sondern aus einer vorgegebenen Menge kommen, die Grundmenge genannt (und üblicherweise mit dem Buchstaben G bezeichnet wird). Eine typische Aufgabenstellung wäre dann etwa folgende: Es soll die Gleichung

u2 = 4
(8)
gelöst werden, wobei die Grundmenge G die Menge der positiven reellen Zahlen R+ ist. Wir kennen diese Gleichung schon: es ist dieselbe wie (5). Von den beiden reellen Lösungen -2 und 2 ist jetzt nur eine ein Element der Grundmenge, nämlich die Zahl 2 (denn -2 ist ja keine positive Zahl). Wir haben also 2 Î G und -2 Ï G, und folglich besitzt das Problem nur eine einzige Lösung. Die Lösungsmenge ist L = { 2 }. (Sprachlich nennt man so eine Situation das Lösen einer Gleichung ''über'' der Grundmenge G).


Nun müssen wir noch eine mögliche Komplikation besprechen, die bei manchen Gleichungen auftritt. Es kann geschehen, daß eine Gleichung nicht für alle Werte der Variablen einen Sinn macht. Beispiel:

1
x
= 1
2
 
(9)
über der Grundmenge der reellen Zahlen. Wieder können wir anstelle von x alle möglichen Zahlen einsetzen und überprüfen, ob eine wahre oder eine falsche Aussage folgt. Allerdings darf x nicht gleich 0 gesetzt werden, denn 0 hat keinen Kehrwert. Für x = 0 ist die Aussage der Gleichung also weder eine wahre noch eine falsche Aussage, sondern gar keine Aussage! Da es 1/0 nicht gibt, ist auch die Frage sinnlos, ob es gleich 1/2 ist oder nicht! Um zu einer mathematisch einwandfreien Problemstellung zu gelangen, muß also der Wert 0 aus der Grundmenge herausgenommen werden. Man gelangt dann zur sogenannten Definitionsmenge D, d.h. zur Menge aller Elemente x Î G, für die die Gleichung einen Sinn macht (für die beide Seiten der Gleichung wohldefiniert sind). In unserem Fall ist D = R \ { 0 }. Da eine Lösung der Gleichung auf jeden Fall in der Definitionsmenge liegt, müssen auf der Suche nach Lösungen nur Elemente dieser Menge berücksichtigt werden.


Der Vollständigkeit halber wollen wir noch anmerken, daß Gleichungen auch mehrere Variable enthalten können und daß es manchmal notwendig ist, mehrere Gleichungen gleichzeitig zu betrachten. Beispiel: Gibt es zwei Zahlen, sodaß das Quadrat der ersten Zahl gleich der zweiten Zahl und die Summe der beiden Zahlen 6 ist? Bezeichnet man die erste Zahl als x und die zweite als y, so besteht die Aufgabe darin, das Gleichungssystem

x2 = y                x + y = 6
(10)
zu lösen. (Das Problem hat zwei Lösungen: Die erste ist x = 2, y = 4, die zweite ist x = - 3, y = 9. Rechnen Sie nach!)


Nach dieser Einführung sollten Sie nun ein ersten Gefühl dafür haben, was Gleichungen sind. Sie stellen eine besondere Art mathematischer Problemstellung dar. Das Wichtigste daran ist, daß jede Gleichung - im selben Moment, in dem sie hingeschrieben wird - eine Menge von Zahlen, die Lösungsmenge, eindeutig festlegt. Diese Zahlen konkret zu finden - d.h. die Gleichung "zu lösen" - ist dann eigentlich "nur" ein rechentechnischer Schritt, der Dinge zutage fördert, die bereits im Voraus feststehen.