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Exkurs über die Nützlichkeit des Logarithmus:


Inhalt: Wir werden uns im Folgenden auf den Zehner-Logarithmus lg beziehen, obwohl alle Überlegungen auch für Logarithmen zu anderen Basen gelten.

 
1. Logarithmische Skala

Nehmen wir an, wir wollen die Größenordnungen der auf der Erde lebenden Organismen auf einer Skala auftragen. Sie soll von der Durchschnittsgröße eines Virus (etwa ein Zehntausendstel Millimeter, d.h. 10-7 m) bis zu den größten Pilzgeflechten (einige Kilometer, d.h. ungefähr 103 m) reichen. Die übliche Darstellungsweise von Zahlen auf einer Zahlengeraden, wie wir sie im Kapitel Zahlen, kennengelernt haben, würde auf ein Diagramm wie dieses führen:




Mit ein bisschen Leben gefüllt, würde es so aussehen:




Organismen unterhalb einer Größe von etwa 10 m finden nur in einem winzigen Intervall Platz, in dem praktisch nichts erkannt werden kann. Als günstigere Darstellungsweise bietet sich an, anstelle der (in Metern gemessenen) Größe x der Organismen deren Logarithmus lg x zu verwenden, da dieser lediglich den Bereich zwischen -7 und 3 überstreicht:




Gleiche Abstände auf dieser Skala entsprechen dem gleichen Faktor zwischen den Größen. Eine solche logarithmische Skala wird manchmal auch in der Form




beschriftet, wobei man auch von einem logarithmischen Maßstab spricht. Beachten Sie, dass der "Nullpunkt", der x = 0 entspricht, nach links "ins Unendliche" gerutscht ist. Nun sieht unsere Galerie der Organismen schon besser aus:




Wir könnten diese Skala auch bequem in beide Richtungen um einige weitere Größenordnungen erweitern, etwa um auch die allerkleinsten Viren (10-9 m) unterbringen zu können.

 
2. Darstellung von Funktionsgraphen und funktionalen Abhängigkeiten

In ähnlicher Weise eignen sich logarithmische Skalen oft dazu, Funktionsgraphen und funktionale Abhängigkeiten darzustellen, die sich über einen weiten Bereich von Größenordnungen erstrecken. Es gibt aber einen weiteren Grund, logarithmische Skalen zu in der Darstellung von Funktionsgraphen zu verwenden: Ist beispielsweise der Zusammenhang zwischen zwei Größen x und y durch eine Exponentialfunktion gegeben, d.h. (unter Verwendung der Basis 10)

y   =   c 10bx,

so ergibt die Anwendung der Funktion lg auf beiden Seiten und die Ausnutzung der Rechenregeln für den Logarithmus (wir nehmen an, dass c > 0 ist) die Beziehung

lg y   =   lg c  +  bx.

Wird u = lg y anstelle von y als abhängige Größe verwendet, so wird dies zu

u   =   lg c  +  bx,

beschreibt also einen linearen (genauer: linear-inhomogenen) Zusammenhang, dessen Graph eine Gerade ist! Das ist eine gute Nachricht für alle, die exponentiellen Abhängigkeiten begegnen, denn Geraden sind einfacher zu zeichnen als die Graphen der Exponentialfunktionen in der üblichen Form. Wir müssen überdies nicht eigens lg y als neue Variable u einführen - es reicht, in der Darstellung des Graphen auf der y-Achse eine logarithmische Skala zu verwenden.

Wir können sogar mehr sagen: y hängt von x genau dann exponentiell ab (mit positivem c), wenn der Zusammenhang der beiden Größen in einem Diagramm, dessen y-Achse einen logarithmischen Maßstab trägt, durch eine Gerade dargestellt wird.

Sehen wir uns anhand eines typischen Beispiels an, wie diese Tatsache zur Erkennung exponentieller Zusammenhänge verwendet wird. Wir stellen uns vor, eine Menge von Datenpunkten, d.h. von Paaren (x, y) zur Verfügung zu haben, für die ein exponentieller Zusammenhang - mit zunächst unbekannten Parametern b und c - vermutet wird. Als erstes werden die Paare (x, lg y) in ein Diagramm eingetragen:


Die Anordnung der Punkte zeigt eine recht gut definierte Gerade, woraus wir schließen, dass y in guter Näherung exponentiell von x abhängt. Wir legen die Gerade durch die Datenpunkte (bzw. ermitteln die "beste" Gerade, die sich durch die "Datenwolke" legen lässt - mit welchen Mitteln das zu bewerkstelligen ist, muss uns hier nicht interessieren):


Damit lassen sich die Parameter b und c einfach bestimmen: b ist der Anstieg der Geraden, lg c ist der Abschnitt auf der vertikalen Achse. Wir lesen ab: b = 0.5 und lg c = 0.23, woraus c = 100.23 = 1.698... » 1.7 folgt. Auf diese Weise bestimmen wir den gesuchten Zusammenhang - innerhalb der Ablesegenauigkeit - als

y = 1.7 × 10x/2 .

Hätten wir mit einem konventionellen (x-y)-Diagramm gearbeitet, dann hätte die Anordnung der Datenpunkte so ausgesehen:


Es wäre wesentlich schwieriger gewesen, auch nur festzustellen, ob der durch sie dargestellte Zusammenhang in guter Näherung exponentiell ist. Und selbst wenn es mit einigem Geschick gelänge, den Graphen der Funktion zeichnen,


so ließe sich lediglich der Koeffizient c direkt als 1.7 ablesen, während die Ermittlung des (Wachstums-)Parameters b, der für die meisten Zwecke der wichtigere ist, um einiges komplizierter und unverlässlicher wäre als mit der "logarithmischen Methode".

Ein weiteres Beispiel für die Nützlichkeit logarithmischer Skalen bildet die Klasse der Potenzfunktionen

y   =   C xn

für positives C. Die Anwendung der Funktion lg auf beiden Seiten und die Ausnutzung der Rechenregeln für den Logarithmus führt auf die Beziehung

lg y   =   lg C  +  n lg x.

Der Graph einer solchen Funktion nimmt in einem Diagramm, in dem beide Achsen einen logarithmischen Maßstab tragen (einem so genannten "doppelt-logarithmischen Diagramm", in dem u = lg x und v = lg y anstelle von x und y verwendet wird), die Form einer Geraden an, deren Anstieg mit dem Exponenten n übereinstimmt. Ebenso wie im vorigen Beispiel wird diese Tatsache dazu benutzt, festzustellen, ob (und mit welcher Güte) eine gegebene Menge von Datenpunkten eine Potenzfunktion beschreibt, und sie erlaubt die Bestimmung der Parameter C und n.

Um derartige Methoden bequem anwenden zu können, kann (einfaches und doppeltes) Logarithmenpapier zu Hilfe genommen werden, d.h. eine Variante des "Millimeterpapiers", in dem für eine oder beide Koordinaten ein logarithmischer Maßstab verwendet wird. Dank seines feinen logarithmischen Koordinaten-Netzes können auf ihm Datenpunkte direkt (ohne vorherige Berechnung ihrer Logarithmen) eingetragen werden.

 
3. Logarithmentafel

Eine der nützlichsten Eigenschaften des Logarithmus wurde mehrere Jahrhunderte lang dazu benutzt, um numerische Berechnungen zu erleichtern. Insbesondere erlaubt es die Regel

"Der Logarithmus eine Produkts ist gleich der Summe der Logarithmen",

Multiplikationen auf (leichter auszuführende) Additionen zurückzuführen. Wir illustrieren das Prinzip anhand der Multiplikation

15.5 × 23.6

Eine Logarithmentafel ist im Grunde genommen nichts anderes als eine riesige Wertetabelle der Logarithmusfunktion lg. In unserem Beispiel werden der Tabelle die (gerundeten) Logarithmen der Zahlen 15.5 und 23.6 entnommen und addiert. Das Ergebnis ist 2.56324. Nun wird jene Zeile der Tabelle gesucht, in der 2.56324 als Logarithmus auftritt. (Dieser Vorgang wird auch "entlogarithmieren" genannt). Die Zahl, deren Logarithmus 2.56324 ist, ist das gesuchte Produkt, nämlich die Zahl 365.8:




Die nötige Addition 1.19033 + 1.37291 = 2.56324 wird entweder im Kopf oder auf einem Blatt Papier ausgeführt. Die Methode lässt sich problemlos auf Produkte mit mehreren Faktoren ausweiten. In ähnlicher Weise können Divisionen auf Subtraktionen (und Potenzen auf Multiplikationen) zurückgeführt werden, und in den historischen Logarithmentafeln wurden auch die Logarithmen spezieller Funktionen wie Winkelfunktionen (siehe das entsprechende Kapitel) einbezogen. In den vergangenen Jahrhunderten wurden derartige Tabellen von fleißigen Menschen in mühevoller Arbeit erstellt. Mit ihrer Hilfe war es auch vor der Entwicklung elektronischer Rechenhilfen möglich, eine Vielzahl numerischer Berechnungen (mit der Genauigkeit, die die jeweils verwendete Tafel zuließ) in kurzer Zeit durchzuführen.

Nachbemerkungen:

1. Wir haben das obige Beispiel so gewählt, dass keine Rundungsfehler auftreten. In der Praxis wird man nicht immer die gewünschte Zahl in der rechten Spalte finden, sondern mit der ihr am nächsten kommenden Vorlieb nehmen müssen.

2. Tatsächlich ist eine Logaritmentafel nicht so umfangreich, wie es hier aussehen mag: Ist beispielsweise lg(1.54) bereits als 0.187521 tabelliert, so kann lg(15.4) als lg(10 × 1.54) = 1+ lg(1.54) = 1.187521 ermittelt werden, muss also nicht eigens in der Liste aufscheinen: Die relevante Information hängt nur von der Ziffernfolge ab, nicht von der Stellung des Kommas (Dezimalpunkts). Indem nur ein Größenordnungsbereich (z.B. zwischen 1 und 10) tabelliert wird, kann die Tabelle kürzer gehalten werden. Die Zehnerpotenz des Resultats (die Stellung des Dezimalpunkts) wird dann in einem letzten Schritt eigens ermittelt.

 
4. Rechenschieber (Rechenstab)

Das Prinzip der Multiplikation, das den Logarithmentafeln zu Grunde liegt, kann geometrisch gedeutet werden, indem Strecken, deren Längen Längen den Logarithmen der Faktoren entsprechen, aneinandergelegt werden. Im Rechenschieber (Rechenstab) wird diese Idee durch die Verwendung zweier verschiebbarer Leisten, auf denen sich logarithmischen Skalen befinden, realisiert. Das folgende Bild zeigt die Einstellung eines solchen Geräts für die Multiplikation 15.5 × 23.6:


Hier sind die Zahlen, die eingestellt bzw. abgelesen werden, gekennzeichnet:


Sie erkennen, dass eigentlich die Rechnung 1.55 × 2.36 ausgeführt und das Resultat nur näherungsweise als 3.66 (statt exakt 3.658) abgelesen werden kann. Die korrekte Stellung des Dezimalpunkts wird zum Schluss bestimmt, so dass sich 15.5 × 23.6 » 366 ergibt. Die anderen Skalen, die Sie auf diesen Bildern sehen, betreffen weitere nützliche Dinge, insbesondere Potenzfunktionen und Winkelfunktionen.

Die Genauigkeit dieses Instruments ist zwar begrenzt, aber als "tragbarer Rechner", der Multiplikation, Division und einige andere Funktionen "beherrscht", hat es - bis der Taschenrechner aufkam - Handwerker, Ingenieure und nicht zuletzt zahlreiche Generationen von SchülerInnen begleitet.