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Beweis von (21):
 
( ex ) '   =   ex
  (21)

Wir gehen aus vom Differenzenquotienten

 ex + e  -  ex
e
   =      ee  -  1
e
   ex .

Beachten Sie die Struktur dieses Ausdrucks: Er ist das Produkt aus einem nur von e abhängenden Term mit ex, d.h. dem Funktionsterm selbst! Vom Grenzübergang e ® 0 ist nur der erste Faktor betroffen. Führen wir die Abkürzung

c  =        ee  -  1
e
 
lim
e ® 0

ein, so ergibt sich:
( ex ) '   =   c  ex .

Die Ableitung ( ex ) ' ist daher ein Vielfaches von ex. Die Bedeutung der Proportionalitätskonstante c wird klar, wenn wir auf der rechten Seite dieser Beziehung x = 0 setzen (und bedenken, dass e0 = 1 ist): c ist die Ableitung an der Stelle x = 0. Um (21) zu beweisen, müssen wir also nur mehr zeigen, dass c = 1 ist, d.h. dass die Exponentialfunktion x ® ex an der Stelle 0 die Ableitung 1 hat.

Dazu erinnern wir uns, wie wir die Eulersche Zahl e im Kapitel Exponentialfunktion und Logarithmus eingeführt haben (sehen Sie sich insbesondere an): Unsere Argumentation war von einem strengen mathematischen Gesichtspunkt aus betrachtet ein bisschen schlampig, aber die Grundidee - die auch einer genaueren Überprüfung standhält - war, e als jene Zahl zu definieren, für die der Graph der linearen Funktion x ® 1 + x (eine Gerade mit Anstieg 1) die Tangente an den Graphen von x ® ex im Punkt (0, 1) ist ! Damit haben wir das fehlende Glied in unserem Beweis: Es gilt c = 1, daher

     ee  -  1
e
   =   1.
lim
e ® 0




Nachbemerkung: Formel (21) offenbart die wahre Bedeutung der Zahl e. Unter allen Funktionen x ® ax mit beliebigen reellen Basen a ist x ® ex die einzige, die mit ihrer Ableitung identisch ist!

Wir können diese bemerkenswerte Eigenschaft auch so formulieren: Es gibt nur eine einzige auf der Menge der reellen Zahlen definierte differenzierbare Funktion f, für die die beiden Aussagen zutreffen, und zwar

f(x)  =  ex.

Die Zahl e kann dann als f(1) definiert werden. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, erscheint die Eulersche Zahl als ein sehr "natürliches" mathematisches Objekt.